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Der Europäische Haftbefehl dient dazu, die Sicherheit in der Europäischen Union und die Zusammenarbeit der europäischen Justizbehörden zu stärken. Dazu wird im Rahmen des Europäischen Haftbefehls ein vereinfachtes Auslieferungsverfahren ermöglicht, um Personen, die einer schweren Straftat beschuldigt werden oder bereits verurteilt wurden, an den EU-Staat übergeben zu lassen, in welchem die Straftat begangen wurde.

 

Erfahren Sie hier mehr über den EU-Haftbefehl, die notwendigen Voraussetzungen und die Möglichkeiten, dagegen vorzugehen.

Was genau ist der Europäische Haftbefehl?

Mit dem Europäischen Haftbefehl wurde ein grenzübergreifendes Verfahren für die vereinfachte Strafverfolgung oder Vollstreckung einer Freiheitsstrafe geschaffen. Dieses Verfahren ist in allen EU-Staaten gültig. Begeht also beispielsweise ein deutscher Staatsbürger eine schwere Straftat in Ungarn, so kann – zumindest in der Theorie – der Verdächtige nach Ungarn ausgeliefert werden, und zwar, ohne dass die Rechtmäßigkeit des Haftbefehls geprüft wird. Der ausliefernde Staat – in diesem Fall Deutschland – hat lediglich zu entscheiden, ob die Auslieferung stattfindet und ob die betroffene Person bis zum Zeitpunkt der Übergabe inhaftiert wird.

Der Europäische Haftbefehl schafft gegenüber den zuvor geltenden Auslieferungsverfahren deutliche Erleichterungen. So gelten beispielsweise verkürzte Entscheidungs- und Übergabefristen. Auch die „Erfordernis der gegenseitigen Strafbarkeit“ (mehr dazu gleich) wird zum großen Teil ausgesetzt. Der Europäische Haftbefehl unterstützt auch die Auslieferung eigener Staatsbürger, verhindert also – zumindest in der Theorie –, dass ein Staat die Auslieferung der eigenen Bürger verweigert, wenn diese in anderen EU-Staaten eine schwere Straftat begangen haben oder einer solchen beschuldigt werden.

Wie Sie sehen, bedeutet der EU-Haftbefehl für die Zusammenarbeit der europäischen Justizbehörden eine deutliche Erleichterung. Er bringt jedoch auch Risiken mit sich. Deshalb wurde eine Reihe von Voraussetzungen geschaffen, auf deren Grundlage ein EU-Haftbefehl überhaupt erst erlassen werden darf.

Welche Voraussetzungen gelten für den EU-Haftbefehl?

Der Europäische Haftbefehl darf nur für schwere Straftaten ausgestellt werden, die im ausstellenden Staat mit einer Freiheitsstrafe von mindestens 12 Monaten bedroht ist. Ebenfalls ist der EU-Haftbefehl zulässig, wenn er – nach Verurteilung – zur Vollstreckung einer Freiheitsstrafe oder einer freiheitsentziehenden Maßnahme von mindestens vier Monaten genutzt wird. Die Justizbehörden arbeiten ohne Beteiligung des diplomatischen Weges unmittelbar zusammen.

Für 32 Straftatbestände gilt, dass zur Vollstreckung des Europäischen Haftbefehls nicht geprüft werden muss, ob gegenseitige Strafbarkeit besteht, ob also beide Staaten die Tat als Straftat einstufen. Voraussetzung für den EU-Haftbefehl ist lediglich, dass die Tat im ausstellenden Staat mit einer Freiheitsstrafe im Höchstmaß von mindestens 3 Jahren belegt ist. Zu diesen 32 Straftatbeständen gehören unter anderem vorsätzliche Tötung, Vergewaltigung, Handel mit Waffen, Entführung, Geldwäsche, Terrorismus, Drogenhandel sowie Rassismus und Fremdenfeindlichkeit.

Die Auslieferung muss bzw. kann außerdem aus verschiedenen zwingenden oder fakultativen Gründen abgelehnt werden. Solche Gründe sind beispielsweise:

  • Die Person wurde bereits wegen derselben Straftat verurteilt (Grundsatz: „ne bis in idem“ – zu Deutsch etwa: „nicht zweimal in derselben Sache [verurteilt]“).
  • Die Person ist im Vollstreckungsland noch minderjährig.
  • Die Straftat fällt unter eine Amnestie.
  • Im vollstreckenden Staat läuft bereits ein Strafverfahren gegen die Person.
  • fakultativ: Die Straftat ist verjährt.
  • fakultativ: Es besteht keine beidseitige Strafbarkeit und die Straftat gehört nicht zu den 32 oben genannten.

Ablauf: Wie wird der EU-Haftbefehl durchgesetzt?

Der Europäische Haftbefehl wird von der zuständigen Justizbehörde des EU-Staates erlassen, in dem die Straftat begangen wurde. Mittels des Schengener Informationssystems (SIS) ist es möglich, eine EU-weite Fahndung auszuschreiben. Ziel ist es, dass die Person, gegen die der EU-Haftbefehl erlassen wird, im Aufenthaltsland festgenommen und dann an das den Haftbefehl ausstellende Land übergeben wird. Zu diesem Zweck arbeiten die Justizbehörden länderübergreifend zusammen.

Für den korrekten Ablauf des Europäischen Haftbefehls müssen die Verfahrensrechte der verdächtigen oder beschuldigten Person gewahrt werden. Zu diesen gehören:

  • das Recht auf Information (beispielsweise über den Inhalt des EU-Haftbefehls)
  • das Recht auf einen Rechtsanwalt und Aufklärung über die Rechte
  • das Recht auf einen Dolmetscher, sofern notwendig
  • das Recht auf Prozesskostenhilfe
  • das Recht auf Kommunikation mit Familienmitgliedern und dem Arbeitgeber

Die festgenommene Person muss unverzüglich über den Inhalt des Europäischen Haftbefehls informiert und bis zum Ablauf des nächsten Tages einem Richter vorgeführt werden. Außerdem gelten weitere Fristen: Innerhalb von 60 Tagen nach der Festnahme muss das vollstreckende Land entscheiden, ob der Haftbefehl vollstreckt wird. Stimmt die betroffene Person der Übergabe zu, verkürzt sich diese Frist auf 10 Tage. Zwischen der Entscheidung und der Übergabe dürfen schließlich nur weitere 10 Tage liegen.

 

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Gegen den Europäischen Haftbefehl vorgehen:
Diese Möglichkeiten gibt es

 

Der EU-Haftbefehl wird nicht leichtfertig erlassen: In Deutschland sind für den Europäischen Haftbefehl die Generalstaatsanwaltschaft und das jeweilige Oberlandesgericht zuständig. Ein Vorgehen gegen den Europäischen Haftbefehl ist somit nicht einfach, mit kompetenter Unterstützung aber auch nicht unmöglich. Folgende Ansatzpunkte kommen unter anderem infrage:

  • Prüfung, ob der EU-Haftbefehl korrekt ergangen ist. Für die Erlassung des EU-Haftbefehls gibt es ein EU-weit einheitliches Formular, jedoch sind auch andere Auslieferungsunterlagen oder auch die Ausschreibung im SIS zulässig. Dennoch passieren dabei immer wieder Fehler, insbesondere im Hinblick auf die Beschreibung der Tatzeit, des Tatorts und des Tatvorwurfs.
  • Auslieferung nicht bei Drohung unmenschlicher Behandlung. EU-Staaten dürfen trotz ergangenen Europäischen Haftbefehls Verdächtige oder Beschuldigte nur dann ausliefern, wenn diesen im ausstellenden Land keine unmenschliche Behandlung droht. Dafür ist ggf. eine Prüfung notwendig.
  • Deutsche Staatsbürger können darauf bestehen, nach der Verurteilung nach Deutschland zurückzukehren, um dort die Strafvollstreckung durchführen zu lassen. Gleiches gilt für Ausländer mit festem Wohnsitz in Deutschland.
  • Verjährung der Straftat. Während für den Europäischen Haftbefehl keine Verjährung vorgesehen ist, kann die zugrundeliegende Straftat sehr wohl verjähren. Die Auslieferung ist dann als nicht zulässig anzusehen. Die Verjährungsfrist hängt von der jeweiligen Straftat ab.

Auch reine Formfehler können dazu führen, dass der Europäische Haftbefehl nicht zulässig ist. Der Haftbefehl muss zwingend folgende Angaben enthalten:

  • für die gesuchte Person: Identität und Staatsangehörigkeit
  • für die Justizbehörde: vollständige Adresse, Telefon- und Telefaxnummer sowie E-Mail-Adresse
  • Es muss angegeben sein, ob ein Haftbefehl, ein vollstreckbares Urteil oder eine andere vollstreckbare gerichtliche Entscheidung vorliegt.
  • Die Straftat muss mindestens mit Art, rechtlicher Würdigung, Tatzeit, Tatort und Tatvorwurf beschrieben sein.
  • Das gesetzlich vorgesehene Strafmaß oder – im Fall einer Verurteilung – die verhängte Strafe müssen ebenfalls aus dem Europäischen Haftbefehl hervorgehen.

Sind diese Formalitäten nicht eingehalten worden, bestehen gute Aussichten, die Vollstreckung des Haftbefehls zu verhindern.

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